Autoguiding: Leitrohr oder Off-Axis-Guider?

Nach den ersten Versuchen in der Astrofotografie wird schnell das Thema der Anschaffung eines Autoguiders interessant werden, um Nachführfehler der Montierung über einen längeren Zeitraum ausgleichen zu können und so noch längere Belichtungszeiten zu ermöglichen. Der Autoguider nimmt während der Belichtung kontinuerlich Bilder von einem Referenz- bzw. Leitstern auf und berechnet dessen Abweichung von seiner Soll-Position, um Korrekturbefehle an die Nachführmotoren der Montierung zu senden und den Leitstern so möglichst nahe an der Soll-Position zu halten, damit die Hauptkamera „verwacklungsfreie“ Bilder mit runden, scharfen Sternen aufnehmen kann.
Neben der Auswahl einer geeigneten Guidingkamera und der Entscheidung zwischen einer PC-gestützten Lösung mit Guiding-Software oder einem Stand-alone Autoguiding-System, welches keinen Computer benötigt, stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Nachführung über ein Leitrohr oder einen Off-Axis-Guider durchgeführt werden soll. In diesem Artikel möchten wir kurz die Vor- und Nachteile dieser beiden Optionen darstellen, da wir mit beiden bereits gearbeitet haben und diese jeweils in unterschiedlichen Situationen empfehlen würden.

Die beiden Nachführtechniken

Zunächst jedoch zu einer kurzen Beschreibung der beiden Nachführtechniken: Beim Guiding über ein Leitrohr wird die Nachführkamera an einer zweiten Optik (häufig ein Sucher oder kleineres Teleskop) befestigt, welche fest mit der Hauptoptik verbunden ist, und nimmt ihre Bilder durch diese Optik hindurch auf. Beim Off-Axis-Guiding wird zwischen Hauptoptik und Hauptkamera ein sogenannter Off-Axis-Guider (OAG) gesetzt, welcher aus einem kleinen Prisma besteht, dass in den Strahlengang der Hauptoptik hineinragt und dort etwas Licht in einen seitlich angebrachten Kanal umleitet, an dem die Nachführkamera befestigt wird. Dieses Licht wird jedoch am Rand des Strahlengangs umgeleitet, also außerhalb der Achse und des Sichtbereichs der Aufnahme- bzw. Hauptkamera, woraus sich die Bezeichnung Off-Axis-Guiding ableitet.

Guiding am Leitrohr

Beginnen wir zunächst mit dem Leitrohr, welches einige Vorteile bietet: Zunächst ist hier die Handhabung zu nennen, die beim Guiding mit dem Leitrohr gerade für Anfänger deutlich leichter ist. Dies liegt zum einen darin, dass hier die Leitkamera separat fokussiert wird und nicht aufwändig auf eine exakt parallele Fokuslage zur Aufnahmekamera ausgerichtet werden muss, wie dies beim OAG der Fall ist. Außerdem haben die meisten Leitrohre, egal ob Teleskop, Sucher, oder Teleobjektiv eine separate Möglichkeit zu fokussieren, was das Einstellen der besten Fokuslage deutlich einfacher macht, da hier nicht wie beim OAG der Abstand mit Zwischenringen oder Adaptern zunächst berechnet und dann eingestellt werden muss.
Weiterhin ist es häufig mit einem Leitrohr insgesamt etwas einfacher, überhaupt geeignete Leitsterne zu finden. Dies liegt zum einen daran, dass die meisten Leitrohre eine deutlich kürzere Brennweite haben als die Hauptoptik (bei einem Sucher oft nur um 250mm Brennweite) und somit die Aufnahmekamera ein größeres Bildfeld abdeckt. Dies ist deshalb wichtig, weil die Chips üblicher Guidingkameras im Vergleich zu einer DSLR winzig klein sind, und es gerade in sternarmen Gebieten abseits der Milchstraße etwas Glück benötigt, einen ausreichend hellen Stern im Bildbereich der Leitkamera zu haben. Die Chance darauf ist umso größer, je weniger Brennweite und somit „Zoom“ das Leitrohr hat, da somit ein größerer Himmelsausschnitt vom Chip abgebildet wird.
Außerdem wird beim Leitrohr das Licht von der Mitte des Strahlengangs für die Nachführung verwendet, sodass es hier normalerweise noch nicht von Vignettierung oder starken Aberrationen abgeschwächt ist. Vorteilhaft ist auch, dass bei dieser Methode zwischen Korrektor und Aufnahmekamera keinen Platz für den OAG gebraucht wird – ein möglicherweise großer Vorteil, da der Abstand zum Aufnahmechip bei einigen Korrektoren mit 55mm recht knapp bemessen ist. Außerdem ist ein Leitrohr bei der Verwendung von CCD-Kameras als Aufnahmekamera in Kombination mit Filterschubladen praktisch, da nach jedem Filterwechsel die Hauptoptik problemlos mit einer Flatfieldfolie für die Erstellung von Flats abgedeckt werden kann, ohne den Leitstern zu verlieren.
Nachteile ergeben sich bei der Verwendung eines Leitrohrs jedoch durch das höhere von der Montierung zu tragende Gesamtgewicht und die notwendige Zusatzbefestigung, die die Größe des Teleskopes erhöht. Die Befestigung muss eine absolut stabile Verbindung darstellen, da es sonst zu einem Drift zwischen Leit- und Aufnahmeoptik kommen kann, der sich in unrunden Sternabbildungen im Hauptbild bei Langzeitbelichtungen niederschlagen kann.
Obwohl die eigentliche Befestigung, sofern das Leitrohr nicht zu schwer ist, häufig stabil genug aufgeführt werden kann, kommt es teilweise trotzdem zu Abweichungen zwischen Leit- und Aufnahmeoptik durch das Problem des „differential flexture“, also der unterschiedlichen „Durchbiegung“ der beiden Optiken oder einzelner Komponenten. Durch die Lageänderung des Teleskopes bei der Nachführung auf den sich „drehenden“ Sternenhimmel kann es z.B. sein, dass der Okularauszug mit der schweren Aufnahmekamera am Hauptteleskop sich leicht durchbiegt, während die leichte Leitkamera am Leitrohr unverändert bleibt. Ergebnis sind auch hier wieder unrunde Sterne und eine Begrenzung der möglichen Belichtungszeit pro Aufnahme. Ein weiterer kleiner Nachteil liegt darin, dass die Öffnung des Leitrohres im Regelfall recht klein ausfallen wird, da es ansonsten zu schwer wird. Durch die kleinere Öffnung wird die erreichbare Stern-Grenzgröße reduziert, dieser Nachteil wird jedoch im praktischen Vergleich zum OAG dadurch ausgeglichen, dass beim Leitrohr im Gegensatz zum OAG das Licht aus der „guten“ Mitte des Strahlengangs genommen wird.

Guiding am Off-Axis-Guider

Mit der Entwicklung des Off-Axis-Guiders wurden einige Nachteile des Leitrohrguidings behoben, naturgemäß bringt der Einsatz dieser Technik jedoch eigene Schwierigkeiten mit sich. Zu den Vorteilen des Off-Axis-Guiders gehört klar der Umstand, dass Nachführ- und Aufnahmekamera für die Bildgewinnung durch die gleiche Optik fotografieren, und somit die Probleme der stabilen Leitrohrbefestigung oder des „differential flexture“ erledigen. Dies ist insbesondere bei Optiken mit dünnen Tubuswänden, die anfällig für Durchbiegung bei Lageänderung sind, oder Spiegeloptiken welche sogenanntes Spiegelshifting aufweisen, ein großer Vorteil. Die Verwendung eines OAG kann somit bei diesen Teleskopen lange Belichtungszeiten von 10-30 Minuten, wie sie für Schmalbandaufnahmen teilweise üblich sind, erst ermöglichen. Außerdem kann der Off-Axis-Guider die volle Öffnung des Hauptteleskopes nutzen, und somit je nach dessen Größe eine beträchtliche Lichtsammelleistung nutzen.
Ist außerdem der Abstand zwischen Leit- und Aufnahmekamera am OAG einmal eingestellt, muss dieser nicht mehr verändert werden, wodurch ein Nachfokussieren (z.B. beim Wechsel zwischen verschiedenen Teleskopen) entfällt. Außerdem entfällt das Gewicht eines Leitrohres (wobei dieses beim Sucherguiding relativ gering ist) wodurch die Belastung auf die Montierung reduziert wird und durch den entfallenden Aufbau eines Leitrohres ist das Teleskop gegebenenfalls besser transportabel bzw. verstaubar. Schließlich kann durch die höhere Brennweite an der Hauptoptik die Nachführkamera häufig gebinnt werden, was ihre Empfindlichkeit erhöht, ohne jedoch an Guiding-Genauigkeit zu verlieren, da diese ob der höheren Brennweite an der Hauptoptik immer noch gegeben ist.
Umgekehrt stellt die lange Brennweite jedoch für die Leitsternsuche auch einen Nachteil dar, da durch diese das Bildfeld der Nachführkamera stark reduziert wird. Weiterhin wird das an der Nachführkamera ankommende Licht geschwächt durch den Umstand, dass es Off-Axis, also außerhalb des Zentrums des Strahlengangs, vom Prisma abgelenkt wird, wo es bereits durch Vignettierung abgeschwächt und durch Aberrationen (Koma, Bildfeldwölbung etc.) beeinträchtigt sein kann. Somit stellt sich die Leitsternsuche am OAG meist etwas schwieriger dar.
Auch die Handhabung des OAG ist gerade zu Beginn schwieriger als beim Leitrohr, da der Fokus schlecht durch „probieren“ herausgefunden werden kann – es wird hier meist mit Verlängerungshülse gearbeitet um die Nachführkamera in den richtigen Abstand zu bringen, so dass dies im Voraus berechnet und geplant werden muss. Auch die Feinfokussierung ist nicht so leicht, da der Guider häufig über ein Gewinde befestigt ist und dieser zur Feinfokussierung gedreht werden muss, was zum Verlust des ursprünglichen Leitsterns führt. Schließlich kommt es auch zu einer höheren Belastung des Okularauszugs, da Nachführkamera und Off-Axis-Guider bei dieser Methode zusätzlich am Okularauszug hängen.

Fazit und Empfehlung

Nach der Betrachtung der Vor- und Nachteile beider Systeme bleibt jedoch die Frage, welchem System in der Praxis der Vorzug zu geben ist. Aus unseren eigenen Erfahrungen mit den beiden Techniken können wir sagen, dass das Off-Axis-Guiding zwar eine sehr elegante Nachführmethode ist, normalerweise in der Praxis aber die schwierigere ist, das sie unter anderem in der Handhabung (erster Aufbau, Fokussierung etc.) für den Anwender anspruchsvoller ist. Auch die Leitsternsuche ist durch die Nutzung des Lichtes vom Rand des Strahlengangs und die regelmäßig höheren Brennweiten beim Hauptteleskop meist schwieriger. Deshalb würden wir für den Anfänger auf jeden Fall den Beginn mit einem Leitrohr empfehlen.
Grundsätzlich sollte man sich die Frage stellen: brauche ich für mein Teleskop Off-Axis-Guiding um „differential flexture“ zu vermeiden, oder ist es in sich sehr verwindungssteif und kann ein Leitrohr stabil tragen. Nach unseren eigenen Erfahrungen sind Refraktoren normalerweise sehr stabil ausgeführt und lassen sehr gut die Verwendung eines Leitrohrs zu. Besitzt man einen Newton mit dünner Tubuswand oder ein Teleskop, das von Spiegelshifting betroffen ist (SC, MC) kann Off-Axis-Guiding eine Überlegung sein. Tendenziell gilt jedoch auch hier „probieren geht über studieren“, da heute in vielen Fällen die Teleskope so konstruiert sind, dass auch hier gut mit einem Leitrohr gearbeitet werden kann.
Ebenfalls wichtig ist die Öffnung der Hauptoptik: Da die Nachführkamera beim Off-Axis-Guiding das Licht vom Rand des Stahlengangs bezieht, sollte die Öffnung der Hauptoptik deutlich größer sein als die des Suchers, um diesen Nachteil auszugleichen. Praktisch bedeutet dies, dass wir am 65mm Apo mit dem OAG nur sehr wenig Leitsterne fanden, während dies am 200mm Newton durch seine viel größere Lichtsammelleistung deutlich einfacher war. In der Praxis könnte die Grenze circa bei 150mm Öffnung liegen, bei der sich diese zwei Einflüsse ungefähr ausgleichen. Dies stellt aber nur einen eigenen Schätzswert dar.
Einbeziehen sollte man bei der Entscheidung auf jeden Fall die Auswahl der Nachführkamera: Diese sollte beim Off-Axis-Guiding einen möglichst empfindlichen, großen Chip besitzen und ob der höheren Brennweite auch größere Pixel haben, um so eine ausreichende Auswahl an Leitsternen am OAG sicherzustellen. Beim Sucherguiding kann aufgrund der niedrigeren Brennweite auch gut mit kleineren Chips und kleineren Pixeln gearbeitet werden, eine hohe Empfindlichkeit ist jedoch auch hier immer von Vorteil. Schlussendlich ist auch die Himmelsqualität wichtig: Wer in der Stadt unter stark aufgehelltem Himmel fotografiert wird es immer tendenziell schwerer haben, einen geeigneten Leitstern zu finden, da viele schwache Sterne in der Lichtverschmutzung untergehen. Unter sehr gutem Landhimmel wird man jedoch auch mit einem unempfindlicheren Guider leichter gute Ergebnisse erzielen.